Das Verschwinden

So mächtig die Annunaki in den ältesten sumerischen Texten auftreten, so auffällig ist ihr späteres Verschwinden. Am Anfang der Zivilisation waren sie allgegenwärtig: sie bestimmten die Königreiche, gaben Gesetze, richteten über das Schicksal der Menschen. Doch nach und nach verblassen sie in den Überlieferungen, bis sie in späteren Kulturen nur noch als ferne Mythen oder unter anderen Namen erscheinen. Dieses allmähliche Verschwinden ist eines der großen Rätsel der Frühgeschichte.

Die Texte deuten an, dass die Annunaki nicht ewig auf der Erde bleiben wollten oder konnten. Immer wieder finden sich Hinweise, dass sie "in den Himmel zurückkehrten" oder "zu den Sternen zogen". Manche Geschichten schildern, dass sie die Menschen für eine Zeit sich selbst überließen, nachdem ihre großen Projekte vollendet waren. Besonders die Erzählung um die Sintflut zeigt diesen Übergang: Nachdem die Menschheit fast ausgelöscht und durch Enkis Eingriff gerettet wurde, traten die Annunaki nicht mehr in derselben Direktheit auf. Es ist, als hätten sie nach dieser Katastrophe beschlossen, ihre Präsenz zu reduzieren.

Auch archäologisch ist der Bruch sichtbar. Die sumerische Hochkultur war in vielerlei Hinsicht ein Sprung – plötzlich entstanden Schrift, Städte, Kalender, Astronomie. Doch nach einigen Jahrhunderten kam es zu Brüchen, Machtverschiebungen und einem Übergang zu den babylonischen und assyrischen Kulturen. Dort existierten die alten Götter zwar noch, aber sie wurden transformiert: Enlil, Enki, Inanna und andere tauchten unter neuen Namen auf, ihre Funktionen wurden verändert, ihre Präsenz mehr in den Bereich des Religiösen verschoben. Sie waren nicht mehr Herren, die direkt unter Menschen wandelten, sondern ferne Götter, die durch Priester und Tempel verehrt wurden.

Einige Texte deuten an, dass die Annunaki die Erde bewusst verließen. Es heißt, sie seien "zu den Sternen zurückgekehrt", oder sie hätten die Welt den Menschen übergeben, nachdem ihre Arbeit getan war. In den Augen moderner Forscher wirkt dies wie der letzte Schritt einer Mission: eine Phase intensiver Einflussnahme, gefolgt von Rückzug, sobald die Zivilisation etabliert war. Andere Stimmen vermuten, dass es sich um eine bewusste Verschleierung handelt – dass sie nicht wirklich verschwanden, sondern sich in den Hintergrund zurückzogen und nur noch indirekt Einfluss ausübten.

In der Mythologie späterer Kulturen blieben die Spuren. Die Babylonier nannten Inanna Ishtar, Enki wurde zu Ea, Anu zu An. In Griechenland erscheinen Figuren, die frappierend an die Annunaki erinnern – Götter, die Menschen Wissen bringen, aber auch ihre Schicksale lenken. In der Bibel tauchen die Nephilim und die "Söhne Gottes" auf, die den Menschen Töchter nahmen – ein Motiv, das an die Annunaki erinnert. Es ist, als hätte sich die Erinnerung an sie über Kulturen hinweg erhalten, aber immer verschleierter, immer mythischer.

Das Verschwinden der Annunaki ist daher kein vollständiges Ende, sondern eine Transformation. Sie verschwanden nicht spurlos, sondern wandelten sich von Herren zu Mythen, von Richtern zu Göttern, von Akteuren zu Legenden. Doch die Frage bleibt: Verließen sie die Erde wirklich, oder zogen sie sich nur zurück – in die Tiefe, in den Himmel, oder in ein Netzwerk, das unsichtbar weiterwirkt? Kein Donner, kein Blitz – nur ein Schweigen, das bis heute anhält, als Echo jener, die einst die Zivilisation begründeten und dann hinter einem Schleier verschwanden.

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