Lage und Geographie IV: Südamerika und die Anden
Südamerika ist reich an Überlieferungen über verborgene Welten, und kaum eine Region der Erde verbindet so viele Mythen mit der Idee von unterirdischen Städten wie die Anden. Die Inka sahen in den Bergen nicht nur Götter, sondern auch Tore zu anderen Reichen. Legenden berichten von Tunneln, die Cusco, die alte Hauptstadt des Reiches, mit Paititi verbanden, einer sagenhaften Stadt voller Gold, die im Dschungel verborgen liegt. Manche Überlieferungen beschreiben diese Tunnel als so weitreichend, dass sie Hunderte von Kilometern unter dem Gebirge durchzogen, mit Hallen, die wie Paläste wirkten. Spanische Chronisten notierten bereits im 16. Jahrhundert, dass Eroberer bei der Suche nach Gold auf Eingänge stießen, die versiegelt waren und von den Einheimischen gemieden wurden.
Die Festung Sacsayhuamán oberhalb von Cusco ist bis heute ein Kristallisationspunkt solcher Legenden. Unter den gewaltigen Zyklopenmauern sollen Gänge verlaufen, die niemandem erlaubt waren. Es gibt Berichte von Abenteurern, die in den Tunneln verschwanden und nie wieder zurückkehrten. Auch unter dem Sonnentempel Coricancha sollen geheime Gänge existieren, die in die Tiefe führten. Archäologen bestätigten zwar das Vorhandensein von unterirdischen Strukturen, doch viele Zugänge sind verschüttet oder absichtlich blockiert.
Die Mythen reichen weit über Cusco hinaus. In Bolivien erzählt man von Tiwanaku, jener uralten Stadt am Titicacasee, die nicht nur oberirdisch beeindruckende Ruinen besitzt, sondern auch Zugänge in die Tiefe. Der See selbst gilt in Überlieferungen als ein Tor – ein Gewässer, das von unten her mit einer unsichtbaren Welt verbunden sei. Auch in Brasilien, besonders im Amazonasgebiet, berichten indigene Gruppen von Städten unter der Erde, in denen die "weißen Götter" oder "leuchtenden Wesen" wohnen.
Moderne Legenden ergänzen das Bild. In Peru wird von unterirdischen Lichtphänomenen berichtet, von Stimmen in Höhlen, die niemand erklären kann, und von UFO-Sichtungen über den Anden, die scheinbar in Bergmassiven verschwanden. Auch hier taucht das Muster auf, dass die Eingänge in Regionen liegen, die schwer zugänglich, gefährlich oder heilig sind.
Für viele Forscher ist Südamerika das Gegenstück zu Tibet: ein zweites Zentrum der verborgenen Welt, auf einem anderen Kontinent, aber mit denselben Mustern – heilige Berge, verschlossene Tore, Mythen von verborgenen Städten, verbunden mit dem Himmel und der Tiefe. Kein Donner, kein Blitz – nur die Anden, gewaltig und uralt, als lebendige Erinnerung daran, dass die Erde mehr Räume enthält, als wir sehen.

